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KURZPORTRÄT VOM UNTERNEHMEN FINSTER

Wagenfabrik J. Beisswenger, Kruck-Werke GmbH,
Karosseriebau Finster GmbH

Aus einer Schmiede hervorgegangen war die Kutschen- und Wagenfabrik von Johann Beisswenger in Hall, dem heutigen Schwäbisch Hall. 1894 eröffnete sein am 08. Januar 1871 in Untergröningen geborener Sohn Jacob zunächst eine Zweigniederassung des väterlichen Unternehmens in Wiesbaden, Moritzstr. 64. Das notwendige Kapital hierfür stammte aus der Mitgift seiner Frau Minnie geb. Pfeiffer, die er im Dezember des Vorjahres geheiratet hatte.

Zum 01. April 1898 erwarb das Ehepaar ein größeres Gelände an der Schiersteiner Str. 9a, der späteren Nr. 21b, von Heinrich Weil (1834-1907). Dieser hatte dort bereits ein Werkstattgebäude und einen Schuppen errichten lassen, konnte weitere Baupläne wegen der Anlage der Eisenbahnlinie von Wiesbaden nach Langenschwalbach jedoch nicht realisieren, nachdem er in einem langjährigen Rechtsstreit mit der Eisenbahnverwaltung über eine Teil-Enteignung unterlegen war.

Jacob Beisswenger zog mit seinem Betrieb am 01. Juli 1899 hierher um und feierte die Neueröffnung in nunmehr "zwei Werkstatthallen nebst Wagenhalle", die unter strengen Bauauflagen, was Abmessungen und Abstände zur Grundstücksgrenze betraf, genehmigt worden war.

Hergestellt wurden in seiner neuen Fabrik komfortable Kutschen und Wagen verschiedenster Ausführung. Kutschen waren damals noch eines der wichtigsten Transportmittel und gleichzeitig auch ein Statussymbol; von den einfacheren "Wagen" unterschieden sie sich nicht zuletzt durch eine bequemere Federung. Sie wurden in der Regel nach den individuellen Wüschen des Kunden gebaut, waren und sind also meist mehr oder weniger Unikate. Neben verschiedenen Grundtypen gab es unterschiedliche Verdecksvarianten und Sitzanordnungen für die Passagiere. Einfluss auf die Gestaltung der Konstruktion nahm auch, ob das Gefährt vom Besitzer selbst oder von einem Kutscher gelenkt werden sollte. Zu speziellen Ausstattungen konnte dann beispielsweise eine in den Wagenkasten integrierte Box mit Lüftungsschlitzen gehören, um Hunde sicher unterzubringen oder ein zerlegtes Wild sicher zu transportieren.

Beisswenger warb für seine "Luxuswagen jeder Art" und darüber hinaus für gebrauchte Fahrzeuge, die "stets vorrätig" seien. Etwa erforderliche Reparaturen würden "prompt und billigst in eigenen Werkstätten" ausgeführt. Im Frühjahr 1903 erweiterte er seinen Betrieb um ein Stallgebäude für die Pferde, das von dem Wiesbadener Architekten Friedrich Frees errichtet wurde. Zumindest damals gab es auf dem Grundstück schon ein Bahn-häuschen als Wohngebäude, das aber schon bei dem Erwerb der Liegenschaft bestanden haben muss, da es auf dem abgebildeten Briefkopf von 1899 zu sehen ist. Bereits im gleichen Jahr verkaufte Jacob Beisswenger seinen Betrieb – nicht jedoch das Grundstück – an Georg Kruck (1865-1948), der schon seit längerem in Frankfurt a. M. einen Wagenbau betrieb und sich Hoflieferant des Großherzogs von Hessen und des Fürsten von Montenegro nennen durfte. Dieser ging am 01. Oktober 1903 mit dem Kaufmann Alfred Roth eine offene Handelsgesellschaft ein. Ihre nunmehrige "Hofwagenfabrik" erwarb in den Folgejahren einen ausgezeichneten Ruf. Zahlreiche Wiesbadener Handwerker, vor allem Stellmacher, Schreiner, Sattler und Lackierer, fnden in den hiesigen Kruck-Werken Beschäftigung.

Das Automobil begann jetzt allmählich die Kutsche zu verdrängen, bis sie fast ganz aus dem Straßenbild verschwand. Die Firma Kruck erkannte rechtzeitig diesen sich damals andeutenden Wandel und gliederte ihrer "Luxuswagenfabrik" noch vor dem Ersten Weltkrieg ein Karosseriewerk an. Im Zuge dessen wurde Anfang 1911 dem Kaufmann Leonhard Klohmann und dem Techniker Anton Finster, beide damals in Frankurt/M., Gesamtprokura erteilt.

Nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die Rechtsverhältnisse erheblich:
Das Grundstück an der Schiersteiner Straße hatte Jacob Beisswenger an Georg Kruck und Alfred Roth verkauft. Er war in seine schwäbische Heimat zurückgezogen und starb schließlich am 13. November 1926 in Ludwigsburg.

Alfred Roth schied jedoch bald aus der Firma aus. Am 09. April 1920 gründete dann Georg Kruck mit dem Wiesbadener Wagenbauer Conrad Müller eine GmbH. Der Kutschenbau wurde gänzlich aufgegeben und der Betrieb auf  Karosserie- und Fahrzeugfertigung, vor allem auf der Basis von Opel-Automobilen, umgestellt, verbunden mit einem Kfz- und Ersatzteilhandel. Die "Kruck-Werke Wiesbaden" warben jetzt u.a. mit dem Slogan "Kruck auf Opel" z.B. für ein "Dreisitzer Kabriolet 4 PS – die Karosserie für jede Jahreszeit ...". Sie garantierten eine solide Verarbeitung "unter Verwendung bester Baustoffe" und "unter Ausnutzung aller Erfahrungen auf dem Gebiet der modernen Automobiltechnik". Zur Ausstattung ihrer "rassigen Vier- und Sechssitzer-Karosserien" z.B. gehörten eine "gediegene Klubsesselpolsterung, amerikanisches Segeltuchverdeck nebst staub- und wasserdichtem Überzug, spitze Windschutzscheibe" und ein "hochfeines, poliertes Armaturenbrett, enthaltend Tachometer, Ölmanometer und Hupe mit Ball". Diese Autos mit einem durchschnittlichen Gewicht von 1.300 kg erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 75 bis 85 km/h bei einem Benzinverbrauch von etwa 12 bis 13 Litern und einem Ölverbrauch von ca. 0,7 Liter auf 100 km.

Nachdem 1924 Conrad Müller als Gesellschafter ausschied, wurden der Sohn Heinrch (Heinz) Kruck (1894-1962) und der Wagenbauer Anton Finster zu neuen Geschäftsführern bestellt. 1925 wurde eine Zapfsäule für Kraftstoffe auf dem Grundstück eingerichtet, anscheinend aber nur für den Eigenbedarf des Betriebs.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise musste 1929 das Frankfurter Stammwerk der Kruck-Betriebe schließen.
In Wiesbaden jedoch wurde weiterhin produziert. Im gleichen Jahr übrigens fusionierten die Opel-Werke in Rüsselsheim mit dem amerikanischen Konzern General Motors, der 1908 in Detroit die Produktion aufgenommen hatte.

Heinz Kruck war bereits Anfang 1928 aus der Firma ausgestiegen und sein Vater Georg zog sich Ende 1931 in den Ruhestand zurück, so dass nur Anton Finster als persönlich haftender Gesellschafter verblieb und schließlich 1937 auch Alleininhaber wurde. Er firmierte jetzt unter "Anton Finster, vormals Kruck-Werke Wiesbaden". Nach seinem Tod 1946 führte die Witwe Dorothea geb. Raiss den Betrieb fort. Ihren Söhnen, Kaufmann Ludwig (1904-1980) und Karosseriebaumeister August Finster (1907-1977), erteilte sie im Herbst 1949 Gesamtprokura. Gemeinsam gingen sie dann am 01. Januar 1956 unter Beibehaltung der Firmierung eine offene Handelsgesellschaft ein.
Das Unternehmen beschäftigte damals rd. 40 Mitarbeiter. Überwiegend gehörten jetzt Autolackierungen und  Unfallreparaturen, Aufbauten von Lastkraftwagen, Umrüstung von Automobilen in Taxis, der Einbau von Schiebedächern und von Radios, die damals noch nicht serienmäßig von den jeweiligen Herstellern mitgeliefert wurden, zu den angebotenen Dienstleistungen, ebenso Zusatzheizungen und Rostschutzbehandlungen.
Dorothea Finster schied erst mit Ihrem Tod am 05. November 1970 im Alter von 92 Jahren als Gesellschafterin aus.

Ihr Enkel Werner Finster (Sohn von Ludwig), seit 1973 Alleininhaber der Firma, wurde hingegen nur 48 Jahre alt und starb am 25. November 1984. Seine Witwe Annemarie geb. Hecker führte nun den Betrieb weiter, den ihr Mann vor seinem Tod noch in eine GmbH unter der Firmierung "Karosseriebau Finster" umgewandelt hatte.
Dieser Fachbetrieb empfiehlt sich bis heute u.a. für "Karosserie- und Unfallinstandsetzung, Fahrzeuglackierung, elektronische Achsvermessung, Glasreparaturen, Smart Repair" und wird seit 1994 von Jörg Finster als Geschäftsführer in der nunmehr vierten Familien-Generation geleitet.

Da an der Schiersteiner Straße wegen der benachbarten Wohnbebauung keine Expansion möglich war, wurde der Betrieb bereits 1988 in die Schoßbergstaße 9 in Wiesbaden-Schierstein verlegt. Die Gebäude an der Schiersteiner Straße wurden im Mai 1989 zum Abbruch freigegeben und durch eine Tiefgarage ersetzt. Vom Abriss ausgenommen worden war das denkmalgeschützte ehemalige Bahnhäuschen. Aber eine Brandstiftung besiegelte wenige Jahre später auch dessen Schicksal.

Wiesbadener Firmenbriefköpfe (Band 2)
©
Thorsten Reiß Verlag (2011)
ISBN: 978-3-928085-58-8

Karosserie- & Lackierzentrum Finster 

Schoßbergstraße 9 | 65201 Wiesbaden
Tel. (0611) 25 88 6 | info(at)klz-finster.de

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Mo.-Do.: 07:00 - 17:00 Uhr
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